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Großspitzzucht im 20. Jahrhundert
Neues Jahrtausend – Neues Glück?
2025 – Das erste Viertel des neuen Jahrhunderts ist fast herum
zur Geschichte der Spitze (Gesamtübersicht)
Großspitzzucht im 20. Jahrhundert
1919 16. Generalversammlung des Vereins für Deutsche Spitze:
Da insbesondere die Zucht der großen Spitze während des Krieges sehr gelitten habe, wird darum gebeten, sich gerade um deren Zucht besonders zu bemühen.
1936 24. Generalversammlung des Vereins für Deutsche Spitze:
Dr. Manger macht darauf aufmerksam, dass gerade die Zucht der großen schwarzen und weißen Spitze sowohl zahlenmäßig, als auch in der Qualität in den letzten Jahren leider stark zurückgegangen ist und hofft auf Verbesserung der Zucht und Verbreitung. Die Mitglieder der Generalversammlung schließen sich dem an.
1944 Der Hund 1944, S. 62f, Fachschaft für Deutsche Spitze
Der Reichsobmann der Fachschaft für Deutsche Spitze, Dr. Manger, macht in den Veröffentlichungen des Zuchtbuchamtes darauf aufmerksam, dass aus Wolfsspitzverpaarungen gefallene schwarze Großspitze mit grauen Läufen und Rute dringend zur Erweiterung der genetischen Basis der schwarzen und weißen Großspitze, sowie bereits ausgestorbener Farbschläge der Großspitze benötigt werden und man sie keinesfalls aus der Zucht ausschließen dürfe, zumal sie den übrigen Großspitzen in jeder Hinsicht ebenbürtig sind.
1965 35. Generalversammlung des Vereins für Deutsche Spitze, 16. Mai, Troisdorf
Adolf Reinemer wird als 1. Präsident wiedergewählt. Werner Jäger wird Hauptzuchtwart.
Das Verbot von Anwendung kosmetischer Mittel zum Färben der Spitze wird an die Satzungskommission verwiesen.
Es wurde eine Satzungskommission gewählt.
Die Trennung von Wolfs- und Großspitzzucht wird beschlossen.
Trotz der praktisch seit Beginn der Vereinszucht bestehenden Probleme der Großspitzzucht!
Man beachte den Widerspruch zwischen der Aussage Dr. Mangers, die von Erhaltung des Großspitzes und Wiederbelebung ausgestorbener Farbschläge getragen ist, und der Aussage Werner Jägers, bei der alles Andere den Vorstellungen von Reinzucht untergeordnet wird und der dies auf rhetorischer Ebene unterstreicht, indem er solche Schreck-Gespenster heraufbeschwört, dass jeder, der sich daran nicht halte “nie eine reine Groß- oder Wolfsspitzzucht erreichen” werde, sowie am Ende noch einmal die “Erbreinheit” betont!
In Anbetracht des allgemeinpolitischen Kontextes würde man solches Gedankengut wohl eher umgekehrt vermuten – wie man sich doch irren kann.
Der zweifelhafte “Erfolg” dieses Beschlusses blieb natürlich nicht aus . . .


Ab den 1970er/1980er Jahren standen die Großspitze – mal wieder – kurz vor dem Aussterben, sodass die letzten noch in der Zucht befindlichen Tiere praktisch nur noch inzüchtig verpaart werden konnten. (Der Deutsche Spitz Nr. 55, 1970, S. 15f: Neue Blutführung in der weißen Großspitzzucht)
Das konnte natürlich niemanden davon abhalten, die Hunde für gutes Geld ins Ausland zu exportieren – beispielsweise nach Japan. Dabei ist es wohl selbstredend, dass man, um den guten Ruf nicht zu verlieren, ins Ausland nur die allerbesten Zuchttiere verkauft. Egal, was hier zur eigenen Zucht noch übrig bleibt! (Der Deutsche Spitz Nr. 55, 1970, S. 05: Ausverkauf der Spitze)
Speziell der Export nach Japan florierte so gut, dass sich der Verein für Deutsche Spitze sogar genötigt sah, differenzierte Hinweise für den Export zu geben. (Der Deutsche Spitz Nr. 56, 1970, S. 06: “Japanspitze”)


Der Deutsche Spitz Nr. 55 1970, S. 15f: Neue Blutführung in der weißen Großspitzzucht (als pdf)



Da aber durch diesen Ausverkauf eben fast keine eigenen Zuchttiere mehr übrig geblieben waren, verlangten Züchter von schwarzen Großspitzen daraufhin immer wieder vom Verein die Genehmigung, ihre Hündinnen mit Wolfsspitzen verpaaren zu dürfen, was aber strikt abgelehnt wurde. Verpaarungen der Hündinnen mit im Ausland zur Verfügung stehenden Rüden wurden i. d. R. ebenfalls vom Verein abgelehnt, da v. A. die osteuropäischen Vereine die vorher auch hier übliche Zuchtstrategie beibehalten hatten, zur Blutauffrischung im Abstand von mehreren Generationen Wolfsspitze einzukreuzen und diese Rüden deshalb in Deutschland zur Zucht nicht zugelassen wurden.
Anekdotisch will ich hier mal einen Disput zwischen mir und dem früheren Zuchtwart Erwin Rönnpagel (Wolfsspitzzwinger “vom Kamener Kreuz”) sinngemäß wiedergeben, als ich ihm vorschlug, meine damalige Spitzin Susanne als Registerhündin aufzunehmen, da ja fast keine schwarzen Großspitze mehr existierten.
Großspitze sollten zu der Zeit (1987) mind. 42 cm groß sein und das war Susanne. Nun hatte sie am Kinn und an den vorderen Zehenspitzen je eine winzige weiße Stippe und dazu einen haarfeinen weißen Streifen auf der Brust. (Sie sah so aus, als hätte sie mit den Pfotenspitzen in einer Milchschüssel gestanden und sich beim Schlabbern der Milch etwas bekleckert.) Das wertete der Zuchtwart Rönnpagel dann dahingehend aus, dass man eine solche Farbgebung bei Mittelspitzen zwar tolerieren könne, aber für einen Mittelspitz sei Susanne ja zu groß (die durften max. 38cm groß sein). Von der Größe her könne das zwar mit einem Großspitz verglichen werden, aber schwarze Großspitze mit weißen Abzeichen gäbe es ja nicht. Und daraus schloss er dann messerscharf, dass Susanne überhaupt kein Spitz sei… (Weil nicht sein kann, was nicht sein darf)
Die meisten der noch verbliebenen Züchter von schwarzen Großspitzen in Deutschland gaben daraufhin die Zucht auf, zumal die Hunde unter schwersten Inzuchtschäden litten, Mutterhündinnen kurz nach der Geburt ihrer Welpen verstarben usw. (z. B. Zwinger „von der Kesterburg“, Ehepaar Holzapfel: Die Hündin Bianca von der Kesterburg, WT: 14.03.1993, IK 26,71% war hochgradig inzüchtig, weil der Zuchtwart für ihre Mutter, Indra von der Beyenburg, IK 16,31%, keine andere Verpaarung zugelassen hatte als die mit dem Rüden Perry-Max von der Beyenburg, IK 31,78%. Nachdem die Hündin Bianca dann am 23.05.1996 ihren ersten eigenen Wurf auf die Welt gebracht hatte, lag sie am Morgen des 25.05. tot in ihrer Aufzuchtbox. Der Züchter erlitt durch die Aufregung einen Schlaganfall und so musste seine Frau nicht nur ihren schwerkranken Mann pflegen, sondern auch zeitgleich den gesamten Wurf von 5 Welpen mit der Hand aufziehen!)
Die letzte noch verbliebene Zuchtstätte für schwarze Großspitze war über lange Zeit der Zwinger „von der Beyenburg“ (Margret Weihs-Hecker).
Die Situation der weißen Großspitze war nicht wirklich besser. Allerdings hatten die niederländischen Züchter Matt und Betti Zuidema („oet et Laand van Aleer“), die übrigens ebenfalls regelmäßig zur Blutauffrischung einzelne Kees einkreuzten, bereits 1972 den Rüden Kavancha’s Now or Newer, einen weißen Rüden mit Wolfsspitz-Ahnen (u. A. einem aus amerikanischer Zucht stammenden Rüden mit internationaler Nachkommenschaft!) aus Südafrika importiert und die Zusammenarbeit deutscher Großspitzzüchter mit diesen wurde seitens des VfDSp nicht ganz so konsequent unterbunden, sodass zumindest in geringem Umfang frisches Blut in die noch verbliebene winzige Rest-Population eingebracht werden konnte.
Warum der VfDSp die Zucht mit solchen Hunden bei den weißen Großspitzen immerhin teilweise zuließ, bei den schwarzen dagegen bis zur bitteren Neige reglementierte, ist mir bis heute ein Rätsel . . .
Als ich zu Beginn der 80er Jahre händeringend einen weißen Großspitz suchte, existierte in Deutschland nur noch der Zwinger „vom Seerosenweiher“ (Eyke Schmidt-Rohde), Ende der 80er Jahre kam noch der Zwinger „vom Berg Sonnenhof“ (Ilse Lauermann) dazu. Andere Züchter von weißen Großspitzen verließen später den Verein wieder und züchteten in der Dissidenz weiter (z. B. Zwinger „zum Kaisertrutz“, Ehepaar Simmank), indem sie Samojeden einkreuzten, deren Nachkommen dann als Registertiere in die Großspitzzucht eingebracht wurden. Auch die Züchterin Eyke-Schmidt-Rhode, Zwinger “vom Seerosenweiher” kreuzte Samojeden und weiße Schäferhunde ein, allerdings “heimlich” (obwohl es natürlich trotzdem alle wussten und sie selbst auch keinen Hehl daraus machte) in ihrer offiziellen Vereinszucht.
Schließlich war die Population der Großspitze soweit geschrumpft, dass zwischen 1997 und 1999 nur noch 75 weiße Großspitze geboren wurden und ein einziger schwarzer Großspitzwelpe! Inzuchtkoeffizienten von mehr als 30% waren „normal“.
Neues Jahrtausend – neues Glück?
Kurz vor der Jahrtausendwende begannen zunächst einzelne, sehr engagierte Züchter wieder mit der Großspitz-Zucht. Für die schwarzen Großspitze war das der Zwinger „von Kauthen Ruh“ (Roswitha Gross-Lambrecht). Zu dieser Zeit kam auch das Internet auf, das erste Spitzforum wurde eröffnet und sehr schnell begann ein lebhafter Austausch von Spitz-Liebhabern (aller Varietäten und Größenschlage) zur Situation der Großspitze, der schließlich darin mündete, dass zum Einen eine weltweite Unterschriftenaktion zur Erhaltung des Großspitzes durchgeführt wurde mit entsprechender Information der ausländischen Spitzzüchter, zum Anderen sich die erste Gruppe von Neu-Züchtern in einem nicht dem VDH unterstellten Verband (IG Spitze im IHV, Andrea Baumbach) organisierte. Nach und nach folgten weitere. Gleichzeitig begann eine sehr engagierte Wolfsspitzbesitzerin (Astrid Renken), eine Datenbank für Spitze aufzubauen, in der sie die Abstammungsdaten der Spitze sammelte und deren Inzucht- und Ahnenverlustkoeffizienten berechnen konnte. Nachdem sie den ebenfalls sehr engagierten Doggenzüchter Manfred Link, der für die Doggen bereits eine gute Datenbank erstellt hatte, von der Dringlichkeit einer ähnlichen Datenbank für die Spitze überzeugen konnte, begann der Aufbau der heutigen Datenbank. Ohne Astrids Engagement hätten wir dieses wichtige züchterische Instrument heute wohl nicht!
Im Einzelnen:
In diesem Zeitraum beschloss der VfDSp zum Entsetzen vieler Züchter der größeren Spitz-Varietäten, das Register zu schließen. Glücklicherweise wurde dieses absurde Ansinnen vom eigenen Dachverband, dem VDH, abgelehnt. Die Unsinnigkeit eines solchen Vorgehens ist auch leider bis heute nicht in die Köpfe mancher Spitzzüchter vorgedrungen, die immer noch versuchen, dies durchzusetzen.
Im Jahr 2002 erfolgte in der Schweiz eine Schwarz-Weiß-Verpaarung, aus der meine Hündin Banja majo no koya (schwarz mit weißen Abzeichen) hervorging und die leider, vermutlich aus der Tatsache resultierend, dass die weiße Mutterhündin Alena vom Seerosenweiher einer Inzestverpaarung zwischen Orpheus vom Seerosenweiher mit seiner eigenen Tochter Ursina entstammte (die Nachkommen inzestuöser Verpaarungen zeigen meist in der F2-Generation Herzfehler!) und die Anpaarung überdies mit dem selbst hochgradig inzüchtigen schwarzen Falko von der Beyenburg erfolgte, auch zu tragischen Ergebnissen führte.
Während Banja durch den Umstand, von vornherein umfassende medizinische Rundumversorgung zu haben, ein für ihre Verhältnisse methusalemisches Alter von fast 9 Jahren erreichte (ihre normale Lebenserwartung lag bei max. 3 Jahren), verstarben sowohl ihr schwarzer Bruder Branko (1 Jahr), als auch ihre Mutter Alena (5 1/2 Jahre) extrem früh an ihren Inzuchtschäden. Mit der Verschleierung ihrer genauen Todesumstände hat die Züchterin der Großspitzzucht einen wahren Bärendienst erwiesen, indem sie den eigentlich dafür Verantwortlichen die Möglichkeit bot, ihre Hände “in Unschuld zu waschen”!!!

Durch die engagierten Züchterinnen Marina Arend und Roswitha Gross-Lambrecht konnte auch in Deutschland nach endlosem Schriftverkehr und gegen viele Widerstände, mit Unterstützung des damaligen Hauptzuchtwartes des VfDSp, Lothar Mende, 2003 schließlich eine Schwarz-Weiß-Verpaarung zwischen der weißen Buffy vom Steingarten und dem schwarzen Brit z Bratislavy durchgeführt werden und erbrachte im Zwinger “von den fidelen Pfoten” einen Wurf mit drei reinschwarzen Rüden (Draco, Derrick und Django), einem schwarzen Rüden mit grauen Abzeichen und einer schwarzen Hündin mit weißen Abzeichen (Dana).

Die Weiterzucht mit der Hündin Dana, die in ihrem Heimatzwinger verblieben war, wurde dann seitens des Vereins wieder nach allen Regeln der Kunst unterlaufen – wie an einem Auszug der damaligen HP der Züchterin zu erkennen ist.
Ebenfalls 2003 wurde der Großspitz von der GEH (Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V.) in die Kategorie I (extrem gefährdet) der Roten Liste aufgenommen, der Mittelspitz in die Kategorie II (stark gefährdet)!
Anfang 2004 wurden von Ilse Lauermann, der Inhaberin des Zwingers „vom Berg Sonnenhof“ die beiden American Eskimo-Dogs (Nachfahren großer deutscher Spitze, die von Auswanderern mitgenommen worden waren) Alpine’s Walk to Remember, IK 11,63% und Natur’s Puppy Love, IK 7,09% aus den Vereinigten Staaten geholt und eingekreuzt. Zwar gab es in diese Rasse, die nach dem 2. Weltkrieg so umbenannt worden war, in der Zwischenzeit Einkreuzungen anderer, leider auch jagender Hunde, in vielerlei Hinsicht sind sie aber unseren Großspitzen, zumindest optisch, noch verhältnismäßig ähnlich. Aus meiner Sicht problematisch war/ist die Tatsache, dass diese Hunde, bei denen differenzierte gesundheitliche Untersuchungen trotz des Protestes verschiedener Züchter unterblieben, prcd-PRA-Träger waren und dass die Hunde trotz diverser bestehender Unterschiede 1 : 1 zu Großspitzen umgeschrieben wurden, statt das Einkreuzen auch als solches zu kennzeichnen und nach allgemein anerkannten kynologischen Grundsätzen durchzuführen.
Im Jahre 2006/2007 wurde auf Veranlassung von Züchtern des VfDSp (VDH), die sich einen Überblick über die genetische Situation der verschiedenen Varietäten des Deutschen Spitzes verschaffen wollten, eine „Molekulargenetische Rassedifferenzierung für den Deutschen Spitz“, bekannt auch als „Cluster-Studie“, durch Fr. Dr. Ina Pfeiffer von der Firma Genocanin erstellt.
Es hätte nicht nur dem Verein für Deutsche Spitze, sondern selbstverständlich auch den anderen Spitzzüchtern jederzeit frei (und vielleicht auch gut zu Gesicht) gestanden, sich daran zu beteiligen und die Studie sowohl in finanzieller Hinsicht, als auch durch das genetische Material weiterer Hunde zu unterstützen – dann wäre mit Sicherheit auch die Datenlage noch fundierter gewesen. Dennoch ist sie sehr aufschlussreich.
Die braunen Großspitze galten zu Beginn der 2000er Jahre bereits als ausgestorben. Im Jahr 2007 wurden durch eine Kreuzung von braunem Mittelspitz (Emmy von Schloss Lindenau) und schwarzem Großspitz (Giro-Gauner von der Beyenburg) braune Großspitze gezüchtet und im Jahr 2011 fiel im Zwinger “von Kauthen Ruh” ein erster brauner Großspitz, der durch Rückkreuzung aus den schwarzen Großspitzen Josie von Kauthen Ruh und Bosse von Haus Wildenrath gezüchtet werden konnte.
Der aktuelle Anteil der braunen Großspitze an der Gesamtpopulation ist allerdings nach wie vor sehr gering!
Nachdem ich über Werner Düro, der die Internetseite “Spitze in Not” betrieb, ins erste Spitzforum – das sog. “Blaue Forum” – gefunden und mich dort mit Astrid Renken angefreundet hatte, die die “Spitz-Datenbank” zunächst allein aus der Taufe gehoben hat (sie wurde erst später durch den jetzigen Verein übernommen, weil Astrid die ganze Angelegenheit immer mehr über den Kopf wuchs), leitete Astrid schließlich Andrea Baumbach an mich weiter. Nachdem ich bereits mit Werner und Sören aus dem Forum eine weltweite Unterschriftenaktion (die sog. “Offensive”) durchgeführt hatte, um den Spitzverein dazu zu bringen, Zuchtstandard und Zuchtordnung dahingehend zu ändern, dass die Großspitze eine Überlebenschance hätten, und wir auch ansonsten fleißig sehr erfolgreiche Pressearbeit betrieben hatten (die erst für den heutigen Bekanntheitsgrad gesorgt hat), war ich zu der Überzeugung gekommen, dass der VfDSp gar nicht daran dachte, sich in irgendeiner Weise zu rühren, solange er eine Monopolstellung als Zuchtverein hat. Und so konnte ich Andrea schnell davon überzeugen, dass es unabdingbar war, einen weiteren Spitzzuchtverein zu gründen. Andrea kam aus der Pferdezucht und hatte ein hervorragendes Hintergrundwissen zur Zucht und Genetik, inkl. Populationsgenetik usw. – lediglich das Wissen um die Spitze selbst hatte sie anfangs noch nicht, aber das konnte ich liefern. Und so beschlossen wir, zwei verschiedene Wege auszuloten. Während Andrea sich kundig machte, ob es andere Dachverbände gäbe und wie man die Dissidenzzucht gestalten könnte, kümmerte ich mich um die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen man einen zweiten Spitzzuchtverein im VDH aufbauen könnte, da der FCI-Standard nur über den VDH geändert werden kann. Denn:
13. März 1986
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass für den VDH ein Aufnahmezwang für jeden Rassezuchtverein besteht, der nachweisen kann, dass er nach den anerkannten Regeln und schriftlich festgelegten Bestimmungen züchtet und ein Zuchtbuch ordnungsgemäß führt.
Das bislang vom VDH praktizierte “Ein-Platz-Prinzip” ist unzulässig!
Dieser Weg erwies sich leider unter den damaligen Voraussetzungen als nicht gangbar, weil die Anzahl der dafür benötigten Züchter noch nicht ausreichte, und so unterstützte ich Andrea bei der Ausarbeitung eines vernünftigen Standards, Zuchtordnung etc., um ihr mehr Raum zu geben für die Beschaffung vieler weiterer wichtiger Informationen.
Im Februar 2010 war es endlich soweit und Andrea gründete die IG Spitze im IHV, die sich schnell zur Keimzelle weiterer Dissidenz-Zuchtvereine entwickelte, nachdem die Züchter erst einmal festgestellt hatten, dass es auch anders ging und den Mut fanden, neue Wege zu gehen. (Zum Zeichen der Dankbarkeit wurde dann eine ihrer Hündinnen fast totgeschlagen!)
Daraufhin nahmen die Wurfzahlen der Großspitze sowohl im VDH, als auch in den sog. Dissidenzvereinen zwar langsam, aber stetig zu und die Dissidenzzucht brachte höchst erfreuliche Ergebnisse, indem sie nicht nur endlich die extrem hohen Inzuchtkoeffizienten senkte, sondern auch lange verborgene Schätze im Erbgut der Spitze wieder zum Vorschein brachte. Die Einzigen, die eigentlich noch fehlen, sind die orangenen Großspitze.
Durch diese Entwicklung gerieten, wie erwartet, die Spitzzüchter des VfDSp weiter in Bedrängnis, hatten allerdings, weil diesem Verein immer mehr Mitglieder “abhanden kamen”, auch endlich bessere Chancen, sich Gehör zu verschaffen. Am 10.08.2017 verfassten sie in Gemeinschaftarbeit einen Offenen Brief, den sie, da ja mittlerweile die Datenbank existiert, auch mit handfesten Daten untermauern konnten.
10.08.2017 Offener Brief der Großspitzzüchter
Daraufhin wurde dann 2019 ein Zuchtprogramm beschlossen, dass aber – wie man es ja leider von diesem Verein gewohnt ist – erst zum Jahr 2021 zum Tragen kam. Sind ja nur vier Jahre . . .
Da der Verein für Deutsche Spitze im VDH inzwischen farbübergreifende Verpaarungen zulässt, fallen dort logischerweise auch gescheckte und andersfarbene Welpen, die aber dann inkonsequenterweise nicht zur weiteren Zucht zugelassen werden, sodass sich der Eindruck aufdrängt, als habe hier jemand mitten in seinem Denkprozess mit dem Denken aufgehört . . .
2025 – Das erste Viertel des neuen Jahrhunderts ist fast herum
Dummerweise dreht sich aber das Rad der Zeit weiter und nimmt keine Rücksicht darauf, ob irgendwelche persönlichen Animositäten dazu führen, dass züchterische Notwendigkeiten verschleppt werden. Und so sind wir leider heute mit unseren Großspitzen in einer ausgesprochen desaströsen Situation.
Seit etwa 2010 mache ich darauf aufmerksam, dass es wichtig ist, Sperma gesunder Rüden mit möglichst niedrigem IK als genetische Reserve zu hinterlegen und bin selbst dabei auch vorangegangen. Meines Wissens ist aber in der Zwischenzeit lediglich Sperma zweier Populare Sires hinterlegt worden, was man im Falle des genetischen Flaschenhalses sicherlich dazu benutzen kann, das Aussterben der Hunderasse zu beschleunigen und darüber hinaus von ein oder zwei jungen vielversprechenden Rüden, die aber derzeit noch selbst decken können und deren wertvoller Beitrag allerfrühestens in 10 bis 15 Jahren zum Tragen kommen kann.
Seit Jahr und Tag mache ich auf die Möglichkeiten gengestützter Anpaarung aufmerksam – der einzige Verein, der offensichtlich diese Möglichkeit zunehmend ins Auge fasst, ist die IG Spitze im IHV.
Seit Jahren weise ich auf die Unterschiede zwischen rechnerischem und molekulargenetischem Inzuchtkoeffizienten hin und die Wichtigkeit, in der Zucht den letzteren davon zu verwenden – die wenigsten nutzen es! Der rechnerische IK, der sich über die Generationen von allein schönrechnet, sieht natürlich besser aus. Und ganz kriminell wird es beim VfDSp, auf dessen Ahnentafeln sich erstaunlich phantasievolle Angaben finden, die sich wirklich keinem Planeten mehr zuordnen lassen. Eine Gegenüberstellung
Ich habe meinen Rüden Llywellynn im österreichischen Landpinscherprojekt decken lassen, bei dem mehrere wirklich vielversprechende Rüden heranwachsen und bin verblüfft über die überwältigende Unterstützung durch die Spitzzüchter (= Null), die mit großer Leidenschaft über alles mögliche herumtheoretisieren und sich gegenseitig die Köpfe einschlagen während sie in der Praxis (!!!) als Folge der Inzuchtdepression kaum noch Würfe auf die Welt bekommen, die mehr als ein bis drei Welpen zählen. Worauf es doch wirklich ankommt im Leben, ist schließlich die Frage, ob man Recht hat und wie viele Follower man hat, oder?
Ich habe eine so gut wie unverwandte Hündin aus einer Hofzucht geholt, mit der mein Llywellynn gesunde Nachkommen aufziehen könnte, damit sein zwar hochgradig homozygotes, aber ansonsten hervorragendes Erbgut nicht verloren geht.
Ich sehe eine ganze Reihe verschiedenster Potenziale, die einfach nur genutzt werden müssen. Das funktioniert aber nur, wenn man sich dazu entschließt und es vor allen Dingen umsetzt, bevor die großen Spitze ausgestorben sind, z. B.
- verbindliche Einführung des HD-Röntgens für Mittelspitze mit Zuchtzulassung, damit Großspitzzüchter nicht auf die Einkreuzung von Mittelspitz-Deckrüden verzichten müssen, weil deren Besitzer ihren Hund nicht untersuchen lassen möchten,
- vernünftige Zulassungsbedingungen für Deutsche Spitze aus dem Ausland,
- vernünftige Zulassungsbedingungen für Registerhunde,
- Einkreuzung von Wolfsspitzen,
- Outcrossing,
- Einkreuzung von Japanspitzen,
- Einkreuzung von Indischen Spitzen,
- Einkreuzen von American Eskimo Dogs
- oder man könnte auch noch einmal bei der KUSA nachfragen.
Selbstverständlich müssen die jeweiligen Hunde, explizit die anderer Varietäten, sehr genau ausgesucht und akribisch auf genetische Vorbelastungen und Wesenseigenschaften überprüft werden – ähnlich, wie bei Registertieren üblich und die Einzucht sollte maßvoll (!!!) erfolgen, sowie gekennzeichnet sein! Bei Hunden aus dem Ausland sollte verstärkt die Verwendung von Tiefgefriersperma genutzt werden.
Sämtliche Diskussionen um alte und neue Linien, Abstammungs-Gutachten und ähnlichem Mumpitz laufen dem Aufbau einer genetisch tragfähigen Zuchtbasis völlig konträr und es bedarf keiner sonderlich tiefschürfenden Logik, um zu begreifen, dass solche Aufsplitterungen zur Erhaltung der (großen) Spitze paradox sind.
Insbesondere aber sollten Züchter sich entscheiden, ob sie nun züchten oder Nabelschau betreiben wollen (“Im Himmel ist Jahrmarkt!”) und, gerade im VfDSp, sollte man sich mít der Frage beschäftigen, was eigentlich unter dem Begriff “Zuchtlenkung” zu verstehen ist.
Denn Eines ist wohl klar (und um genau das für Alle verständlich und nachvollziehbar zu machen, habe ich das hier einmal dezidiert ausgearbeitet):
So lange Großspitze im VfDSp gezüchtet werden, dümpeln sie zwischen hochgradiger Inzucht und drohendem Aussterben vor sich hin!!!
Dass es in früheren Zeiten, wie z. B. in meiner eigenen Kindheit noch so viele von ihnen gab, lag nicht etwa an der “engagierten” Vereinszucht, sondern daran, dass sie, vollkommen ohne irgendwelche “Papiere” in der Bevölkerung selbst und auf den Bauernhöfen ständig gezüchtet wurden, denn dort waren sie hoch geschätzt und es waren hervorragende Hunde. Erst, seitdem sie dort nicht mehr verbreitet sind, verschwinden sie mehr und mehr. Wie meine Gespräche mit den hiesigen Bauern ergaben, waren die meisten von ihnen aufgrund der rigorosen Rein- und Farbzucht-Politik und daraus resultierender schwerer Inzucht aus der Vereinszucht ausgestiegen. Darum ist es auch völliger Humbug, gerade unter den vereinsmäßig gezüchteten Hunden krampfhaft nach irgendwelchen “alten Linien” zu suchen, sich auf sie oder irgendwelche Ahnentafeln zu berufen. In der Vereinszucht wurden Großspitze aus o. g. Gründen nämlich ständig (und das lässt sich bereits sehr früh durch Fotos und andere Dokumente belegen) mit Samojeden und anderen Hunderassen “aufgehübscht” und die durch Inzucht entstandenen Lücken genetisch “geflickt”, sodass sie sich in dieser Hinsicht von ihren “Vettern” aus Übersee (USA, Indien, Afrika) absolut nicht unterscheiden! Wer also nach “alten Linien” sucht, sollte sein Glück eher bei den papierlosen Hof- und Dorfspitzen, Tierheimhunden und sonstigen Landpomeranzen, bzw. deren Abkömmlingen versuchen! (Aber dazu muss man natürlich den Spitz an seinem Wesen erkennen und nicht nur an seiner Ahnentafel!)
Die Vergangenheit kann man nicht ändern.
Beeinflussen und gestalten kann man nur die Zukunft.
Und dazu muss man aktiv handeln.

Ansonsten denke ich mittlerweile, dass der VfDSp den geschichtlichen Abriss seines Rasse-Standards unbedingt beibehalten sollte, weil er in wirklich vorbildlicher Weise den kynologischen Horizont dieses Vereins dokumentiert.
Und manchmal, in stillen Stunden, wenn ich mir mal wieder vorkomme wie Don Quixote, frage ich mich, warum ich mir das eigentlich antue.
Wären da nicht die Hunde . . .
zur Geschichte der Spitze (Gesamtübersicht)