1. Grundsätzliches zur zeitlichen Zuordnung von Funden
Für den Laien ist die zeitliche Einteilung und Zuordnung/Datierung von archäologischen, beziehungsweise ur- und frühzeitlichen Funden oft missverständlich und verwirrend. Darum hier ein paar – hoffentlich – erklärende Worte.
Grundsätzlich erfolgt die Einteilung der geschichtlichen Epochen immer im Rahmen kultureller Entwicklung. Darum ist sie erstens einmal örtlich (an den Fundort) gebunden, also beispielsweise Nord-, Mittel-, Südeuropa, Süd- oder Nordamerika, Vorder- oder Hinterasien, Ostasien usw., weil dort völlig unterschiedliche Kulturen verbreitet waren, die teilweise erheblich stärker voneinander abwichen, als es in heutger Zeit der Fall ist. Dabei gibt es trotz alledem auch innerhalb dieser geographischen Zuordnung und innerhalb der einzelnen Kulturen noch einmal zeitliche Abweichungen, die dadurch zustande kommen, dass man ja in früheren Zeiten nicht einfach ins Auto, den Flieger oder sonstwas steigen konnte, wenn man 1000 km weiter reisen oder Gegenstände, Kulturgüter oder Ähnliches transportieren wollte. Entsprechend waren abgelegene Regionen wie Inseln oder andere schwer zugängliche Gebiete (z. B. Bergregionen) kulturell oft etwas im “Hintertreffen” weil kulturelle Entwicklungen dort i. d. R. mit zeitlicher Verzögerung ankamen. Sowohl durch Handel, kulturelle/soziale/politische Errungenschaften, als auch durch Kriege oder auf epochale Katastrophenlagen gründende Völkerwanderungen kam es nicht nur zu Überschneidungen der verschiedenen Kulturen, sondern kulturelle Entwicklungen konnten auch beschleunigt oder gebremst werden.
Damit man als Laie nun nicht völlig den Überblick verliert, habe ich hier mal eine grobe Einteilung/Übersicht, bzw. Nebeneinanderstellung der wichtigsten Epochen den Funden vorangestellt und die Begriffe auch noch einmal verlinkt. Auch dort finden sich tw. unterschiedliche Angaben, durch die man sich aber – siehe oben – nicht verwirren lassen sollte!

- Urzeit ist definiert als der Zeitraum, in dem der Mensch noch über keine andere Form als die der rein mündlichen oder bildhaften Überlieferung und Informationsweitergabe verfügte. Dazu gehören Steinzeit (Paläolithikum, Neolithikum, z. T. auch Kupfer- und frühe Bronzezeit)
- Bronzezeit: ca. 2.000 – 800 v. Chr.
- Mykenische Zeit: ca. 1.600/1.550 v. Chr. (nach trad. Chronologie) – 11. Jh. v. Chr. (Spätbronzezeit in Griechenland)
- Hallstatt-Zeit (frühe, ältere oder vorrömische Eisenzeit), überwiegender Teil Europas (Nord- und Mitteleuropa): ca. 800 – 450 v. Chr.
- La-Tène-Zeit (späte, jüngere Eisenzeit), überwiegender Teil Europas (Nord-, Nordwest- und Mitteleuropa): ca. 450 v. Chr. bis zur Zeit um Christ Geburt
- Klassische Zeit: ca. 480 – 336/323 v. Chr.
- Hellenismus: ca. 336/323 – 30 v. Chr.
- Römische Zeit: ca. 200 vor – 480 nach Chr.
2. Der Melitäer – Malteser, Malteser-Spitz oder Spitz?
– Ein kleiner Exkurs zur richtigen Einordnung aufgelisteter Fundstücke –
Der Melitäer war sowohl in Ägypten als auch im gesamten griechisch-römischen Mittelmeerraum eine beliebte und sehr verbreitete Hunderasse. Anders, als aufgrund seines Rassenamens meist vermutet wird, lässt sich seine Herkunft keineswegs pauschal mit der Insel Malta in Verbindung bringen. Vielmehr leitet sich der Name von dem semitischen Wort “màlat” ab und bedeutet so viel wie “Zuflucht” oder “Hafen”. In vielen Ortsbezeichnungen des Mittelmeerraums findet man diese Wortwurzel wieder, z. B. bei der südöstlich von Korfu gelegenen Insel Melitaea (heute Mljet) oder eben auch bei der Insel Malta. Die genaue Herkunft bleibt also, zumindest auf dem jetzigen Forschungsstand, ungeklärt
Melitäer waren keine so einheitlich festgeschriebene Hunderasse, wie wir es von heutigen Rassehunden gewohnt sind, sondern man verstand darunter sehr kleine, üblicherweise lang und dicht behaarte Hunde mit Stehohren und aufgerollter Rute, deren Aufgabenbereich als Haus- und Hofhund definiert war und Bewachung und Schutz des Hauses und dessen Bewohner, sowie die Kontrolle von Schädlingen, wie z. B. Mäusen, Ratten und ähnlichem Getier (auch in Lagerhäusern) umfasste. Ihre Erscheinungsform konnte darüber hinaus von kurzbeinigen Hunden mit relativ stumpfem Fang bis zu quadratischen Hunden mit spitz zulaufendem Fang variieren. Typisch für Melitäer war, neben ihrem ausgeprägten Temperament, die außerordentliche Gelehrigkeit der Hunde. Sie finden bereits bei Aristoteles (384-322 v.Chr.) in dessen zoologischer Schrift ‚Historia animalium‘ (Περὶ τὰ ζῷα ἱστορίαι – “Tierkunde”) unter dem lateinischen Namen “canes malitenses” Erwähnung, wo er allerdings als wirklich kleiner, zarter Hund von vermutlich etwa 17 bis 18, maximal aber bis zu 25 cm beschrieben wird.
Die Zuschreibung auch größerer Hunde erfolgte offenbar aufgrund eines Übersetzungsfehlers bei der Einordnung der verschollenen sog. Berliner Amphora, die sich in späterer Zeit, vergleichbar dem bereits von mir überprüften Stille-Post-Effekt im Zusammenhang mit der Zuschreibung der Aussage des Begriffes “Spitz” an Eberhard von Sayn, fortgesetzt hat. 1
Tatsächlich existierten zwar größere spitzartige Hunde in der klassischen Antike der Kaiserzeit, die aber keiner wissenschaftlich bekannten Rasse zugeördnet werden können, sodass hier lediglich ein konkreter Bezug zum Zwergspitz hergestellt werden kann!
Aufgrund seines ausgesprochenen Nutzens erfreute der Melitäer sich großer Beliebtheit sowohl als Haushund, als auch als Schoßhündchen. Weit weniger bekannt ist die Tatsache, dass der Melitäer bestimmte religiöse Vorstellungen und Werte verkörperte, die im Kontext mit den ägyptischen Gottheiten Serapis, Isis und Harpokrates standen. Harpokrates war ein gehbehinderter Kindgott, der wegen seiner Gehbehinderung häufig reitend dargestellt wurde und als Verkörperung des “idealen Kindes” galt. Seine enge Verbindung zu Serapis (Gott der Fruchtbarkeit und Heilkunst; ein Schutzgott) und Isis (Göttin der Unterwelt, Wiedergeburt und Bestandteil vieler Riten des Totenkultes) bildet den religiösen Hintergrund für die Darstellungen des auf einem Melitäer reitenden Harpokrates auf Grabstelen – insbesondere der von Kindern. Auf den meisten Darstellungen sieht er aus wie ein Putto. Genau das ist aber ein vielfacher Grund für Fehlinterpretationen. Die Definition der Aufgabenbereiche des Melitäers (Schutz des Hauses und seiner Bewohner) ist nahezu kongruent zum religiösen Wirkungsspektrum der Göttertriade Harpokrates- Serapis – Isis. Darüber hinaus galt der Hund im Allgemeinen als wichtiger Begleiter ins Reich der Toten, Symbol für Treue oder auch als Wächter des Grabes.
Antipatros von Sidon (antiker griech. Epigrammdichter des Meleagros-Kranzes. Ende 2. Jh. bis Anfang 1. Jh. v. Chr. in Rom) überliefert außerdem, dass die Darstellung eines Hundes auf den Grabstelen von Frauen die Fürsorge der Verstorbenen für ihre Kinder symbolisiert hat.
Nicht nur das Verschenken kleiner sog. Fayum-Terrakotten des Melitäers, sondern auch Haltung und Besitz desselben repräsentierte also mehr als nur ein kleines Mitbringsel, Deko-Artikel, Kinderspielzeug oder Grabbeigabe, sondern transportierte gleichzeitig religiöse, gesellschaftliche Werte/Strukturen und manifestierte Machtverhältnisse.2
Die auffallende Vielzahl von Figurinen und Abbildungen des Melitäers in Häusern, Gräbern und Heiligtümern, sowie auf Gegenständen des täglichen Gebrauchs ist daher nicht einfach nur Ausdruck der Beliebtheit dieses kleinen Hundes, sondern darüber hinaus auch charakteristisch für seine Verwendung als assoziatives Kultsymbol, Grabbeigabe, Wallfahrtsbild, Votivgabe und magisches Objekt zur Bannung böser Mächte.
Gleichwohl bildete natürlich diese sehr vielschichtige Wahrnehmung des Melitäers in der Antike einen der wesentlichen Grundpfeiler für die starke Verbreitung der Hunde. In rassegeschichtlicher Hinsicht bildeten die Melitäer offenbar die Ausgangsbasis für die Hunderassen Volpino italiano, Zwergspitze, sowie Malteser.
- Autengruber-Thüry, Heidelinde, Hunde in der römischen Antike. Rassen-Typen-Zucht-Haltung und Verwendung, Archäopress 2021, ISBN 978-1-78969-836-7, S. 10 – 18 ↩︎
- 2011 Gonzalez, Jérôme, « Maltais, trophè, ktèsios…», ENIM 4, S. 158-196 ↩︎